Am 21.04.1969 wurde ich im VEB Fischkombinat Rostock als E-Assi (Elektroassistent) eingestellt. Nach einer gesundheitlichen Seetauglichkeitsuntersuchung und einem mehrtägigen Einstellungslehrgang in Betriebskunde, Arbeitsschutz und in seemännischen Sicherheitsregeln stand der Seefahrt nichts mehr im Wege, dachte ich …Als ich dann am Beginn der 2. Woche zur AKL (Arbeitskräftelenkung) ging, kam die überraschende Auskunft, dass es für mich erst einmal kein Schiff zum anmustern gab, da sich zur Zeit 8 Elektriker in Reserve befanden. Mein Einsatz erfolgte mit Picke und Schaufel beim Bau des TAB (Teilautomatisierter Betrieb für Fischbearbeitung). Gewohnt hat man natürlich im HdH (Haus der Hochseefischer). Im HdH befand sich eine Betriebsgaststätte, die „Höhle“ genannt wurde, es aber im negativen Sinne nicht war. Man konnte sehr preiswert Essen und wurde gut bedient. Die Höhle war abends meistens voll, aber einen freien Platz gab es immer. Als Neuer wurde man gefragt, woher man kommt, welchen Beruf man hat und als was man fahren möchte. Mein Klagen über den Elektriker-Überschuss löste vielseitige Ratschläge am Biertisch aus: -Als Elektromaschinenbauer musst du auf den Großschiffen fahren, dort kannst du Motore wickeln und hast einen guten Job.-Ein Elektriker sagte: “Lass dich auch während der Reservezeit fachlich einsetzen, z. B. in der Ankerwickelei.“-Du musst jeden Tag zur AKL gehen und Druck machen …PA’s (Produktionsarbeiter) und Decksmänner waren so knapp, dass sie zur Anmusterung schon aus dem Lehrgang genommen wurden und schnell zum Einsatz kamen. Mit 15,00 M Grundheuer pro Arbeitstag in Reserve verdiente ich nun weniger als im Vorbetrieb zu Hause. Die Ratschläge beherzigend lief ich nun täglich mit folgenden Argumenten zur AKL. Wenn ihr keinen Einsatz für mich habt, hättet ihr mich auf Abruf zu Hause lassen können. Setzt mich wenigstens fachlich ein oder ich kündige und fahre wieder nach Hause. Nach dem dritten Anlauf konnte ich dann tatsächlich in der Ankerwickelei arbeiten. Trotzdem fragte ich weiter regelmäßig nach, wann komme ich nun endlich auf ein Schiff ?
In Erwartung einer Seereise kaufte ich mir einen Fotoapparat (EXA 1a), machte zur „Probe“ am Wochenende erst einmal in Warnemünde eine Hafenrundfahrt zum Überseehafen und schoss die ersten Fotos.
Am 13.05.1969 bekam ich von der AKL den Anruf: Sachen ausdem HdH holen, Heuerschein unterschreiben und auf ROS 225 anmustern. Um den Quälgeist loszuwerden, hatte man wohl beschlossen auf ROS 225 einen zweiten Elektriker einzusetzen. Während des Lehrgangs hatten wir ein Fang- und Verarbeitungsschiff besichtigt und nun stand ich vor einem Seitentrawler. Von außen sah das Schiff klein aus, obwohl die Typ 3 von den Seitentrawler die größten Schiffe waren. An Bord angekommen änderte sich dann mein erster Eindruck positiv. Der LTO (Leitender Technischer Offizier), genannt Chief, bei dem ich mich zu melden hatte, war nicht zu finden. Ich stellte meinen Koffer im Betriebsgang ab und suchte den Maschinenraum. Dort lief ich Heiner Gerst, seines Zeichens „Star“ Maschinenassistent über den Weg. Was bist du? Elektriker sagte ich. Wir haben schon einen, du bist bestimmt der neue M-Assi. Nimm dir mal einen Putzlappen, schau dir den Maschinenraum an und wenn du Öl auf den Flurplatten siehst wisch es weg. Nachdem ich mich dann beim Chief gemeldet hatte, bekam ich eine Kammer zugewiesen, zusammen mit dem Fischmehler. Die Kammer lag auf dem Hauptdeck Steuerbordseite hinter dem Kreiselkompassraum. Nach dem Ausrüsten des Schiffes begann die Fangreise zur Hochseefischerei auf dem Fangplatz Labrador.
Meine erste Reise auf ROS 225 CottbusWährend der vierzehntägigen Ausreise zum Fangplatz Labrador und auch danach wurde ich vom Chief, Edmund Kliem, zum Tagestörn eingeteilt, d. h. ich hatte Wache von 08:00 – 12:00 Uhr und von 13:00 – 17:00 Uhr. Nach etwa 10 Tagen am Fangplatz kam ich gegen 13:00 Uhr an Deck und bemerkte, dass wir nicht fischten sondern zügig Fahrt machten. Auf dem Bootsdeck reparierten Matrosen Netze. Als sie mich sahen rief einer: „Epi, du hast vielleicht ein Schwein, machst die erste Reise und kommst gleich ins Ausland!“ Ich war erst einmal skeptisch, denn Neulinge wurden auch gerne mal gefoppt. Meinen Schiffsrundgang habe ich dann über die Brücke ausgedehnt und erfuhr tatsächlich, dass wir auf dem Weg nach St. Pierre (Kanada) unterwegs waren. Grund dafür war ein Beschluss der Betriebs- und Gewerkschaftsleitung zur Verbesserung der Lebensbedingungen des Flotten Personals. Ab diesem Zeitpunkt konnte im Ausland frisches Obst und Gemüse eingekauft werden. Pro Mann wurden dafür im Monat 10 DM (Devisen) bereitgestellt. Darüber mögen heute manche Leute lachen, aber 1969 war das eine wirkliche Verbesserung der Versorgung mit frischem Obst und Gemüse an Bord der Schiffe in der Hochseefischerei Flotte.Wir sollten für drei Besatzungen einkaufen, für ein FVS mit etwa 90 Mann, einem Zubringertrawler mit 22 Mann und wir waren 32 Mann auf der Cottbus. Der Kapitän, Heinz Erdmann, hatte per Funk beim Schiffsmakler in St. Pierre den Einkauf bestellt. Doch nach dem Einlaufen stellte sich heraus, dass diese Menge an Obst und Gemüse auf der Insel nicht vorrätig war und erst eingeflogen werden musste. Zur Freude aller konnten wir dadurch zwei Hafenliegetage genießen. Über die Menge an Gemüse und Südfrüchten pro Mann für nur 10 DM im Monat habe ich damals als DDR-Bürger gestaunt.